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Ist die Wüste durch den Klimawandel in Gefahr?

    Ein Gespräch mit dem Wüstenforscher Stefan Kröpelin

    Von Constantin Schreiber

    Kamele in der Arabischen Wüste (Foto: Harald Keller)



    Die Arabische Wüste ist die östliche Fortsetzung der Sahara, der größten Wüste der
    Welt. Was ist das Besondere an der Arabischen Wüste?

    Stefan Kröpelin: Jede Wüste ist anders. Die Sahara in Nordafrika ist wegen ihrer Größe und
    Vielfalt ganz klar die Königin der Wüsten. Dagegen sind die Trockengebiete der Arabischen
    Halbinsel wesentlich kleiner. Deren Besonderheit ist, dass die Wüsten in den Emiraten wie
    auch in anderen Ländern der Region nicht so kontinental sind, heißt: Sie sind nicht so weit
    von den von Ozeanen entfernt. Dadurch ist es dort längst nicht so niederschlagsfrei wie etwa
    im östlichen Teil der Sahara, der zu den trockensten Regionen der Welt zählt. Eine andere
    Besonderheit ist die Besiedlungsdichte, die in Arabien deutlich höher ist als in den meisten
    anderen Wüsten der Welt. Die Infrastruktur und Zugänge zu den Wüstenregionen sind
    vergleichsweise dicht ausgebaut. Auch jenseits der Küstenregion gibt es relativ viele Oasen,
    die das Entstehen von Städten ermöglicht haben.

    Gleichzeitig gibt es mit der Rub al-Khali ein riesiges Gebiet, das aus gewaltigen
    Sanddünen besteht.

    Kröpelin: Das stimmt. Riesige Dünenkomplexe prägen diesen Teil der Halbinsel. Dabei
    spielen die verschiedenen Windrichtungen eine große Rolle, die durch die jahreszeitlich
    wechselnden Monsunwinde bestimmt werden. Dadurch türmen sich die Sanddünen
    besonders hoch auf, höher als es in den meisten Teilen der Sahara der Fall ist.

    Ich war oft in Nordafrika unterwegs. Was mir im Vergleich dazu in Dubai auffällt, ist die
    besonders gelb-orangene Farbe des Sandes. Wodurch kommt das?

    Kröpelin: Das ist eine richtige Beobachtung und bis heute ist wissenschaftlich nicht
    abschließend geklärt, wie die regionalen Unterschiede in der Sandfarbe zustande kommen,
    weil viele Faktoren mitspielen. Wobei wir wissen, dass sich die Farbe verändert, je mehr
    Strecke der Sand hinter sich hat beziehungsweise wie lange er irgendwo liegenbleibt, woher
    er stammt und wie alt er ist. Dadurch unterscheiden sich die „coatings“, also die Überzüge
    jedes einzelnen Sandkorns, farblich von hell bis dunkel. So ist zum Beispiel der Sand der
    Großen Sandsee im Norden Ägyptens hellgelb, wird aber immer orangefarbiger, je weiter er
    nach Süden wandert. Wenn er dann nach 2000 Kilometern endlich zur Ruhe kommt, in
    Kordofan im Sudan etwa, wird der Sand oft blutrot. Anders ist das in Dubai. Die hellgelben
    bis orangenen Anteile des Sandes haben dort keinen so langen Weg hinter sich, weil sie
    zum großen Teil von näher gelegenen Stränden ins Innere der Arabischen Halbinsel verweht
    wurden, als der Meeresspiegel bis mehr als 100 Meter niedriger lag.

    Welche Lebensformen gibt es in der Wüste in den Emiraten?

    Kröpelin: Die Wüste auf der Arabischen Halbinsel ist insgesamt viel belebter als in der
    Sahara. Da gibt es alle möglichen Wüstentiere, die an extreme Trockenheit gewöhnt sind.
    Wüstenfüchse, Mäuse, Skorpione, Schwarzkäfer, verschiedene Vogelarten und sogar
    Gazellen. Manche Falken oder Schlangen können selbst in scheinbar vollkommen
    lebensfeindlichem Gebiet überleben. Denen reicht es, wenn einmal im Jahr ein Zugvogel in
    dem Gebiet verendet und sie sich monatelang davon ernähren können. Früher gab es in den
    Golfstaaten große Herden von Oryx- und anderen Antilopen, die heute nicht mehr
    anzutreffen sind, weil sie von den Menschen gejagt und praktisch ausgerottet wurden.

    Inzwischen gibt es in der Region ein anderes Umweltbewusstsein. Heute versucht man diese
    Tiere wieder anzusiedeln. Sie passen sehr gut in diesen Lebensraum, weil sie nahezu kein
    flüssiges Wasser brauchen und ihnen zum Überleben Gräser und ein paar Sträucher
    genügen.


    So wie die Sahara war die Arabische Wüste aber früher doch einmal ein grüner,
    üppiger Lebensraum, oder?

    Kröpelin: Ganz genau. Vor rund 11.000 Jahren wurden die Sahara und die Arabische Wüste
    innerhalb geologisch relativ kurzer Zeit – also höchstens innerhalb eines Jahrtausends – grün.
    Über einen Zeitraum von gut 5.000 Jahren waren dann Vegetation und Fauna so üppig, dass
    die prähistorischen Menschen dort in einer fast paradiesischen Umgebung leben konnten.
    Damals gab es in der heutigen Wüste Elefantenherden und sogar Krokodile und
    verschiedene Fischarten, die in zahlreichen ausgedehnten Süßwasserseen lebten. Ungefähr
    4.000 vor Christus begann dann die kontinuierliche Austrocknung, die bis zur Einführung von
    Dromedaren vor etwa 2000 Jahren die Menschen gezwungen hat, ihren Lebensraum zu
    verlassen.

    Wie ist die aktuelle Entwicklung? Gibt es in der Wüste überhaupt Klimawandel?

    Kröpelin: Gerade in den Wüsten wird der Klimawandel der letzten Jahrhunderttausende
    besonders deutlich. Grundsätzlich gab es so genannte Klimazyklen und man kann grob
    vereinfacht sagen: Plus minus alle 100.000 Jahre gab es im altweltlichen Wüstengürtel eine
    Feuchtphase, die den gesamten Wüstengürtel von Mauretanien im Westen über die
    Arabische Wüste bis nach Zentralasien in eine mehr oder weniger ausgeprägte
    Savannenlandschaft verwandelt hat. Diese Phasen dauerten jeweils etwa 5.000 bis 10.000
    Jahre, bis die Austrocknung einsetzte und die Weiden wieder für rund 90.000 Jahre zu
    Wüsten wurden. Nach den Forschungen in den letzten 45 Jahren können wir mit Sicherheit
    sagen, dass die Feuchtphasen immer dann auftraten, wenn die globalen Temperaturen auf
    Grund höherer Sonneneinstrahlung zunahmen. Also in den sogenannten Interglazialen
    zwischen den viel längeren Kaltzeiten, als die Eismassen abschmolzen und die Meere füllten
    und die durchschnittlichen Temperaturen um ca. fünf Grad Celsius anstiegen. Über den
    erwärmten Weltmeeren verdunstete mehr Wasserdampf, der durch veränderte Windsysteme
    weit in das Innere der Kontinente verfrachtet wurde und dort abregnete.
    Nun konnte ich auf meinen über 50 Expeditionen beobachten, dass es seit Ende der 1980er
    Jahre fast überall in der Sahara einen Trend zu erhöhten Niederschlägen gibt. Nicht
    permanent und nicht überall gleich ausgeprägt, aber der Trend ist da. Und so könnte es sein,
    dass ein anhaltender Anstieg der globalen Temperatur wie nach der letzten Eiszeit dazu
    führen könnte, dass es in den Wüsten wieder feuchter wird.

    Ist die Wüste durch den Klimawandel in Gefahr?

    Kröpelin: Das kann man tatsächlich so sehen. Vor allem als Wüstenforscher oder Beduine. Für die allermeisten Menschen, die an den Wüstenrändern in immer größerer Anzahl
    leben, und das betrifft heute hunderte Millionen, wäre es dagegen ein Segen, wenn es
    weiterhin immer mehr regnet. Wenn sich die landwirtschaftliche Nutzung in ungeahntem
    Ausmaß verbessern und die Grundwasservorräte erneuert würden. Theoretisch könnte
    langfristig ein Drittel des afrikanischen Kontinents wieder zu einem Siedlungsraum werden.

    Was macht den Reiz der Wüste aus?

    Kröpelin: Ich glaube, wenn man als Tourist in Dubai einen Ausflug in die Wüste macht, weiß man sehr schnell: Ist die Wüste mein Ding, oder nicht. Dazwischen gibt es normalerweise
    nichts. Entweder man verfällt ihr, oder man mag sie nicht. Manche Menschen haben sogar
    panische Angst vor Wüsten. Was natürlich gerade in Dubai besonders auffällt, ist der totale
    Kontrast zur modernen Lebensweise. Auf der einen Seite Wolkenkratzer, Hektik und Luxus
    und dann das komplette Gegenteil: die totale Abgeschiedenheit der Wüste. Für mich sind es
    die Ruhe und die Spiritualität, die einen Aufenthalt in diesem Lebensraum auszeichnen. Ich
    glaube daher, es ist kein Zufall, dass drei große Weltreligionen in von Wüsten geprägten
    Gebieten ihren Ursprung haben. In der Abgeschiedenheit der Wüste wird die eigene
    Existenz plötzlich ganz klein, es findet eine Selbstbesinnung statt. Jeder Tropfen Wasser
    kommt einem auf einmal vor wie ein unvorstellbares Wunder. Nachts hat man einen Blick auf
    das Universum wie an sonst wohl keinem anderen Ort auf der Welt. Und wenn dann kein
    Wind weht, kann man nachts sogar Meteoriten hören und sieht die Sternschnuppen und den
    Orion über den Himmel wandern. Für mich ist die Wüste ein magischer Ort.

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